Der Streik der Glasperlenzieherinnen von Venedig

Das Glasperlenziehen gehörte noch Anfang des 20. Jahrhunderts zum Stadtbild Venedigs. Frauen saßen auf den Gassen mit Körben voller Perlen, die sie auf Fäden aufzogen. Die "Zwischenfälle" berichten über das harte Leben und den Kampf der ArbeiterInnen in Venedig.

"Die meisten Frauen bringen es für den Tag kaum auf einen halben Papierfranken, und die kirchlichen Fastengesetze sind ihnen gegenüber leider völlig überflüssig. Selbst die Polenta, jenes frugale italienische Nationalgericht, ist für sie nur ein Sonntagsmahl; in der Woche hat ihnen der Himmel den Tisch nur mit Feldrüben gedeckt, wie man sie in den Gassen Venedigs auf offenem Herd zu ganzen Bergen kochen und an Ort und Stelle verzehren sieht.

Und doch bereiten diese Leutchen der Welt so vieles Vergnügen! – Aber ein altdeutsches Volkswort sagt schon:

'Dem Einen die Mühe, Dem Andern die Brühe!'"

So berichtete Theodor Gampel 1880 über die Produktion von Glasperlen in Venedig. 1904 platzte den venezianischen Glasperlenzieherinnen schließlich der Kragen. Es kam zum Streik.
 

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    Perlenverkauf

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    Perlen und Glaswaren aus Venedig sind seit Jahrhunderten begehrt.

    Angela Ciribiri (1904)

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    Die 80-jährige Glasperlenzieherin Angela Ciribiri (Mitte) war eine beeindruckende Agitatorin

    Venezianische Arbeiterinnen Mitte 20. Jahrhundert

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    Zum Auffädeln tauchten die Frauen bis zu 80 Nadeln wie zu einem Fächer aneinandergereiht in eine Holzwanne voller Perlen ein

    Die Calle: Glaszieherinnengasse

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    ...saßen sie draußen, versuchten sie zumindest die Kinder fern zu halten, denn riss der Sack mit den Perlen oder fiel die Holzwanne um, bedeutete dies Sammelarbeit für die gesamte Calle.

    Glasperlenzieherin bei der Arbeit

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    Ein vollständig aufgefädelter Satz bestand aus 240 Fäden.

    Glasperlenzieherin bei der Arbeit

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    Obwohl die Arbeit selbst nicht viel Kunstfertigkeit erforderte, brauchte man doch viel Geduld, Geschicklichkeit und gute Augen.

    Glasperlenzieherinnen bei der Arbeit

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    ...sie konnten schnell Knoten machen, indem sie die Nadeln um sich selbst drehten, oder sie hielten die Anfänge der Fäden kurz über das Feuer, um sie härter für das Einfädeln zu machen.

Quellen

  • Das Interview mit Maria Teresa Sega führte die Filmemacherin Annette von Zitzewitz für ihren Film „Venezia - una donna“ (dt. Titel: Venedig, eine Frauengeschichte), 2008.
    Link: www.trustnelnomedelladonna.org
  • Die Historikerin Maria Teresa Sega ist Präsidentin von „REsistenze“, einer Assoziation, die die Zielsetzung verfolgt, die Geschichte von Frauen des Veneto zu erforschen und zu bewahren, im besonderen soziale Bewegungen und Formen des zivilen Widerstands.
    Link:www.resistenzeveneto.it
  • Das Lied "Semo Tute Impiraresse“ über die Perlelnzieherinnen und ihren Protest ist von Luisa Ronchini (1933-2001) und Emanuela Magro der Platte "La donna nella tradizione popolare“ von 1978 entnommen.
    Link: www.antiwarsongs.org
  • Das Lied „La Lega - Sebben che siamo donne“ ist ein sozialistisches Volkslied, gesungen vorrangig von den Reisarbeiterinnen, entstanden zwischen 1890 und 1914, Text und Musik sind anonym überliefert.
    Link: www.antiwarsongs.org
  • Die Fotos sind dem Band entnommen:
    Perle e impiraperle. Un lavoro di donne a Venezia tra 800 e 900. Arsenale Editrice 1990

Danksagung

SprecherInnen:
Hilal Babus, Barkin Glaßner, Vivienne Wendler